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Kulturscheune Olvenstedt

Pressespiegel

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17. May 2005

Entdeckung in der Scheune

Von Liane Bornholdt (Magdeburger Volksstimme)

Reinhard Seehafer komponierte zur Zwölfhundertjahrfeier Magdeburgs einen Liederzyklus auf Gedichte des 1771 in Olvenstedt bei Magdeburg geborenen Dichters Johann Stephan Schütze. "Die Musenhauptstadt" erlebte am Pfingstsonntag seine Uraufführung. Der Schauspieler Peter Sodann stellte dabei den weitgehend vergessenen Dichter Schütze mit biografischen Episoden und Gedichten vor.

Magdeburg. Es war ein Abend der Neuentdeckungen. Zunächst der Ort. Die Kulturscheune dürfte für einen Gutteil der Besucher, die am Pfingstsonntag hinter die alte Dorfkirche Olvenstedts gefunden hatten, eine große Überraschung gewesen sein. Als Konzertort und Uraufführungsplatz erwies sich die restaurierte, gepflegte und liebevoll ausgestattete frühere Scheune des Pfarrhofes als Glücksgriff.

An den Wänden erinnert eine Ausstellung in Bildern, alten Drucken, Faksimiles und Schautafeln an das Leben Johann Stephan Schützes, sorgfältig zusammengestellt aus spärlichen Quellen.

Eine systematische kulturhistorische Erschließung von Leben und Werk des Dichters steht noch immer aus, aber Dank des Vereines "Kulturscheune Olvenstedt" wurden nicht nur diese Dokumente gesammelt. Es sind auch Texte und Gedichte aus sehr unterschiedlichen Quellen zusammengetragen worden, die im Januar 2004 dem Komponisten Reinhard Seehafer vorgelegt worden sind. Er habe sofort "Ja" gesagt, als er die Texte las, bekannte der Komponist.

Die Schütze-Gedichte, die er zum Zyklus "Musenhauptstadt" zusammengestellt hat, waren die zweite Entdeckung dieses Abends. Bereits in den Gedichten, die Peter Sodann vorgetragen hatte, aber intensiver noch in den acht Gedichten des Liederzyklus tritt dem heutigen Zuhörer ein Dichter entgegen, der in seiner Bildhaftigkeit und vor allem in seiner immer freundlichen, aber doch genau treffenden Ironie sehr zeitgemäß ist.

Wenn er etwa in dem Titelgedicht "Musenhauptstadt" feststellen muss, dass neben Palästen für Musik und Malerei dem Poeten doch nur der leere Himmel bleibt oder wenn er den "Nichtreisenden" bespöttelt, der sich ohne "müde Beine" zu bekommen zu Hause von den Wundern der Welt berichten lässt, so trifft es heute wie vor 200 Jahren. Auch für ihn, sagte Peter Sodann, seien diese Gedichte eine Entdeckung gewesen. Der Titel "Die Musenhauptstadt" bezieht sich zwar auf keinen bestimmten Ort, könnte aber für viele gelten, meinte Sodann.

Reinhard Seehafer hat den Liederzyklus für Mezzosopran und Bariton sowie für Streichquintett und Klavier komponiert. Damit erhielten die Lieder fast einen szenischen Charakter und nahezu die Farbigkeit von Orchesterliedern. Der Zyklus beginnt mit einem Duett "Geist der Zeit", in dem die beiden Sänger im Walzerrhythmus die Sangeskunst als Lebenselixier preisen.

Beide Sänger, Undine Dreißig und der Dresdner Jörg Hempel, haben komplizierte Aufgaben zu bewältigen. Reinhard Seehafer hat die Musik deklamatorisch und stimmungsmäßig sehr genau auf die Texte geschrieben, die sehr verschieden in ihren Rhythmen und Reimschemata sind. Aus ironischem Stakkato wechselt der Rhythmus in warme Kantilenen, aus flottem Allegro in verhaltene lyrisch-romantische Passagen.

Das "Loblied" (Bariton) etwa lässt an Schuberts Klavierlieder denken wie auch "Getäuschte – Lied der Wehmut".

Auch die fast orchestrale Begleitung, einfühlsam gespielt vom Rossiniquartett und Yoichi Yamashita sowie Rainer Roos am Klavier, trägt zur Bildhaftigkeit der Lieder bei.

Mit dem "Wiegenlied", ein Text der im 19. Jahrhundert schon mehrfach vertont wurde, ist ein besonders schönes Duett gelungen, in dem die einfache Wiegenmelodie sich mit leiser Ironie mischt, genau so, wie sie auch im Text mitschwingt.

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